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Robert Fleck

»MALEREI BEDEUTET, KRÄFTE SICHTBAR ZU MACHEN. DEM WIDMET SICH MERAL ALMA AUF IHREN LEINWÄNDEN NAHEZU IN AUSSCHLIESSLICHKEIT.«

Es finden sich unzählige Schichten übereinandergemalt, die untereinander durchscheinen und insgesamt ein dichtes, undurchdringliches Figurenfeld ergeben. Die Gesichter und Gestalten, die dabei entstehen, sind nicht beiläufig Vorbeikommende, sondern konkrete Menschen, die sie auf der Leinwand aufruft und zusammenführt. Deshalb berühren die Bilder auch so sehr. Jedes ihrer Bilder, selbst die Einzelporträts, bildet eine Menschenversammlung, eine Gemeinschaftsbildung, aus der eine neue Geschichte entsteht, die diese Versammlung überschreitet. Das Gesamtprojekt von Meral Alma nimmt sich als utopisch aus. Zum Glück bleibt sie stets auf dem Boden der malerischen Tatsachen

Sabine Heinke

Großformatig ist alles, was Meral Alma malt, großformatig, bunt und aufregend. Aber nicht nur deshalb ziehen ihre Arbeiten die Blicke auf sich, sondern auch weil ihr figurativer Bilderkosmos unmittelbar lesbar scheint. Und weil er – bei näherer Untersuchung – etwas erzählt, das den Betrachter unmit- telbar anspricht, ihn emotional erreicht, manchmal auch amüsiert oder ihm Rätsel aufgibt, und damit nicht nur seine Augen, sondern auch seinen Kopf in Bewegung setzt.

Neben Arbeiten, die kleinere Gruppen von Menschen vor allem in Vierer- und Zweierbeziehungen und damit in direkter persönlicher Zugewandtheit zeigen, ist auf der weit größeren Zahl der Leinwände eine Menge von Figuren und Gegenständen zu sehen. Dabei sticht zumeist ein Sujet durch seine Größe oder eine auffallende Farbgebung besonders hervor. Das kann ein Mann sein, oder eine bekleidete oder nackte Frau, ein Engel oder auch mal eine Gitarre.

Fast alle in Almas Bilderwelt Dargestellten haben einen eigenen, sehr begrenzten Raum, der in seltenen Fällen querformatig angelegt, zumeist aber schmal und hoch ist und damit zellenartigen Charakter hat. Die unterschiedlich großen Räume liegen nicht immer nebeneinander, sondern sind auch versetzt angeordnet und zudem gegen unmittelbar benachbarte durch Rahmen abgegrenzt. Die hier Wohnenden überschreiten die Grenzen ihrer farblich unterschiedlich grundierten Behausungen entweder nicht oder lediglich durch ein von der Malerin intendiertes, also beabsichtigtes und deshalb nur scheinbar unordentliches Über-den-Rahmen-hinaus-Malen. Manchmal brechen sie auch durch Bewegung oder ihnen beigegebene Accessoires das der Komposition eigene, eher statische Grundmuster aus Horizontale und Vertikale auf, was zu einer Dynamisierung des Bildaufbaus beiträgt. Einige wenige vor diese Bildebene montierte diaphane Motive bewirken eine gewisse Raumtiefe. Die in der Größe variierenden und damit hierarchisch unterschiedenen Einraum-Bewohner hausen Wand an Wand, wobei die Künstlerin Akte oder Tierporträts direkt neben karikaturhaft überzeichnete, hybride Kreaturen setzt, die keiner bestimmten Spezies zugeordnet werden können. Reale Pro- portionen weitestgehend ignorierend, schafft sie ein seltsames bis zum Grotesken verzerrtes Bildpersonal. Einige nur in Umrisslinien gezeichnete Figuren wirken wie von Pubertierenden mit Kreide rotzfrech an die Wand gekritzelt. Häufig ist nicht der ganze Mensch abgebildet, sondern nur sein Kopf, dessen Mimik auf die augenblickliche Ver- fasstheit verweist.

Die verschiedensten Charaktere werden im Profil, en face, in Bewegung oder posierend, in scheinbarer Zuneigung oder mit dem Schwert in der Hand vorgeführt. Meistens allerdings haben die Menschen nichts oder nur wenig miteinander zu tun, bleiben isoliert und auf sich gestellt, allein, auch wenn sie die Arme zu anderen hin ausstrecken. Piktogramme wie Sperrschilder und durchkreuzte Kreise, Dinge wie Hüte, Kronen oder Nimbusse und der erhobene Zeigefinger gehören zum motivischen Repertoire der Künstlerin. Das alles ist, bis auf wenige Ausnahmen, ohne Vorzeichnung in bunten, die gesamte Palette umfassenden, auch schrillen Acrylfarben kräftig konturiert und in gestischer Malerei expressiv auf die Leinwand gesetzt und anschließend mit Ölfarben, Edding oder Ölsticks überarbeitet. Farbschlieren, die in langen Fäden über die Oberflächerinnen, verstärken den Eindruck des Unfertigen, Rohen und Provisorischen, aber auch des Fließenden im Sinne des panta rhei altgriechischer Philosophie. Neben diesen wie zufällig erscheinenden Schlieren finden sich angelegte Gitterstrukturen, hinter denen Dinge verschwinden, die von der Künstlerin als zu dominierend befunden worden sind.

Sie sind eingesperrt, ohne in Gänze zu verschwinden, und verlieren auf diese Weise an Gewicht. Almas durch Gestik, Mimik und expressive Farbgebung emotional hoch auf- geladene Bilder reflektieren das Dasein der modernen Menschen, das als ein beengtes, zuweilen harmonisches, aber auch durch Reizüberflutung gestörtes Neben- und Mitei- nander wahrgenommen werden kann. Sie ist eine genau analysierende Beobachterin ihrer Umwelt, die sie tagebuchartig spiegelt und in Malerei transformiert.

Ganz bewusst werden Zeichen gesetzt, die Bezug nehmen auf die verschiedenen Konstellationen, in denen sich die Protagonisten befinden. Der erhobene Zeigefinger des Besserwissers ist dabei wohl jedem Betrachter geläufig. Eine festgefahrene Situation wird durch das Einbahnstraßenschild symbolisiert, und der durchgestrichene Kreis ver- weist auf etwas, das seine ursprüngliche Vollkommenheit verloren hat. Meral Almas Malweise erinnert damit an den Autodidakten Jean Dubuffet. Der Franzose hatte im 20. Jahrhundert sein grobes und sinnliches, mit einfachsten Materialien geschaffenes Werk den ästhetischen Ansprüchen der Akademie entgegengestellt und als selbständige Kunstform etabliert. Dieser das Rohe, Unbekömmliche, auch Hässliche meinenden Raw Art folgte auch Jean-Michel Basquiat, ein New Yorker Künstler aus dem Umkreis Andy Warhols, der ebenfalls nicht dem klassischen Verständnis von Kunst und ihrem Anspruch nach Schönheit entsprechen wollte. Im Gegenteil: Sein Werk war, wie auch bestimmt von der Tiefe individueller Empfindung und den überhitzten Eindrücken eines urbanen Umfeldes.

Robert Fleck anlässlich der beiden Förderpreise für Meral Alma

Das Generalthema von Meral Alma ist die Untersuchung des Menschen. In ihren Bildern spricht die Künstlerin zahlreiche Tonlagen, Gefühlslagen, Empfindungskräfte und Begebenheiten an, die der menschlichen Lebens- erfahrung in der Gegenwart entsprechen – nicht analytisch, sondern gefühlt. Ihre Malerei präsentiert ein Panorama, eine kleine Enzyklopädie zeitgenössischer Gefühlslagen.

Mehrere große Bilder gleichen gemalten Collagen menschlicher Erlebniskategorien. Bei Meral Alma spielt das Gesicht häufig eine zentrale Rolle. Es wird auf positive und negative Kräfte hin untersucht, die in ihm zum Ausdruck kommen. Das Gesicht ist selten dreidimensional, im plastischen Sinne behandelt. Es ist Teil eines flachen Bildraums. Dies hat, ebenso wie die großen gemalten Collagen, viel mit der heutigen Bildschirmwelt zu tun. Jedoch sind die gemalten Darstellungen von Meral Alma ausdrucksstärker als Phänomene auf einem Bildschirm.

Mit dieser Darstellungsweise knüpft Meral Alma durchaus an die byzantinische Bildtradition an, die ein wichtiges Moment der europäischen Malerei darstellt. Diese gehört nicht der Vergangenheit an. In der modernen Kunst wurde diese Tradition immer wieder aktualisiert, bei Gustav Klimt und dem Wiener Jugendstil um 1900 ebenso wie bei Künstlern unserer Zeit.

Viele Werke von Meral Alma weisen eine ikonische Bildform auf, verbunden mit expressiven Elementen wie der Deformation der Linie, die eine große Rolle spielt. Das Expressive macht Kräfte und Emotionen direkt darstellbar. Es handelt sich hier aber nicht um einen subjektiven Expressionismus wie im deutschen Expressionismus mit der Selbstbeschau des Künstlers, sondern um einen Expressionismus aus der beobachtenden Untersuchung, wie es ihn in Österreich im Zusammenhang mit dem Byzantinismus gab. Auch der Klassenprofessor von Meral Alma an der Kunstakademie Düsseldorf, Siegfried Anzinger, kommt aus dieser Tradition.

Die Werke von Meral Alma vermitteln eine optimistische Sicht, obwohl die dunklen Seiten nie ausgeschlossen werden. Wenn auch tiefe Emotionen in alle Richtungen auf- treten, sind sie voller Kraft und Leben. Meral Alma erhielt 2015 zum zweiten Mal in Folge den Förderpreis Mercuri Urval/Kunstakademie Düsseldorf. Das war in den Kooperationen der Kunstakademie mit Förderunternehmen erstmals der Fall. Es handelt sich um eine verdiente Auszeichnung.

Verglichen mit 2014 kann man eine rasche Weiterentwicklung beobachten, wie in den vier Bildern von Balletttänzerinnen, den ersten Werken in Ganzkörpergröße. Die Bewegung dieser Figuren ist überzeugend, obwohl es etwas überaus Schwieriges ist, eine solche Bewegung visuell zu realisieren, da die Malerei Bewegung nur suggerieren kann. Auf diesen Bildern ist zudem sehr schön, wie die Füße den imaginären, nur angedeuteten Boden berühren. Wie ein Fuß auf den Boden gesetzt wird oder eine Hand einen Stoff berührt – daran sieht man, ob jemand wirklich malen kann. Die Bilder der Tänzerinnen kennzeichnen ein sehr freier Raum, vergleichsweise geleert gegenüber den früheren Bildern, und delikate Dialoge farblicher Transparenzen und von Kontur und Figur. Meral Alma hat zwischen 2014 und 2015 ihre Thematik und ihr Repertoire bewahrt. Es ist im- mer der Mensch, der bisweilen als Traumwesen die Kräfte des Lebens zum Ausdruck bringt. Die Bilder aus der Farbe herausgearbeitet, und diese Farbe wird immer reicher. Besucher der Jahresausstellung bemerkten noch während der Eröffnung, es handle sich um eine Kunst, die tief berührt. Dies ist in dieser Form selten und eine künstlerische Qualität, die in den Werken von Meral Alma zum Vorschein kommt.

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